Ich beginne meine Lebensgeschichte mit einem Platz in der Schweiz, genannt Uerkheim …
… ein kleines ruhiges Dorf, umgeben von Hügeln und mit einer Spinnerei, dessen Direktor mein Grossvater war. Mein Vater mit seinen 2 Brüdern musste jeden Tag über einen dieser Hügel zur Schule gehen, ohne Fahrrad, ohne Bus, ohne Zug. Er diente einige Zeit im ersten Weltkrieg 1914/18 und später arbeitete er bei der Bally- Schuhfabrik in Schönenwerd als Kassierer/ Buchhalter.
Die Familie meiner Mutter betrieb eine Möbelschreinerei. Meine Mutter hatte eine Schwester und einen Bruder und arbeitete für eine Weile auch bei Bally.
Meine Eltern heirateten 1920 in Schönenwerd, ein schönes Dorf mit einer alten Kirche und einem Kloster, aber dominiert von der berühmten Bally- Schuhfabrik, gegründet 1851. Traurigerweise starb unsere liebe Mutter 1950 an einer schweren Krankheit .
Ich war die Erstgeborene und mit meinen zwei jüngeren Schwestern Dorli und Liselott verbrachte ich eine wundervolle, glückliche Kindheit. Oft machten wir lange Sonntagsspaziergänge auf den Hügeln mit meinem Vater. Viele Male kam ich mit Blasen an den Füssen nach Hause. Unvergesslich sind die 3 Schuljahre mit Studentenbällen, an denen wir die Nacht durchtanzten, während um die neutrale Schweiz der 2. Weltkrieg tobte.
Für ein Jahr arbeitete ich in der Westschweiz, aber schliesslich hatte ich einen guten Job als Sekretärin bei der Bally in Schönenwerd. Es war eine Ehre für mich, als mich die Firma für ein Jahr auf Austauschbasis in die Bally nach Norwich schickte.
Das Schicksal schlug zu, Liebe ist in mein Leben getreten und nach meiner Rückkehr in die Schweiz sind viele Briefe von Norwich nach Schönenwerd und zurück geflogen. 1955 kam der grosse Tag, als ich mit Cliff in einer wunderschönen alten Kirche auf einem Hügel in der Nähe von meinem Zuhause in der Schweiz heiratete. Sehr glücklich war ich startbereit für ein neues Leben im guten alten England.
Cliff ist am 22. September 1920 in Norwich geboren. Er hatte 2 Schwestern und einen Bruder. Er arbeitete in der Bally während 50 Jahren von 1934 bis 1984 und diente in der Royal Air Force von 1941-1946.
Im Mai 1955 erwartete uns nach unseren Ferien in Davos ein nagelneues Bungalow in Thorpe, von Cliff Rhätia genannt. Das Haus wurde zu unserem Schloss. Ich gewöhnte mich bald an die englische Art von Leben und Humor und liebte das Zentrum von Norwich mit seiner wunderschönen Kathedrale und der St. Peter Mancroft- Kirche und all den anderen Sehenswürdigkeiten. Über die Jahre verbesserten wir das Rhätia mit einem Haufen harter Arbeit und viel Begeisterung innen und aussen.
Ich war für 4 Jahre zurück bei der Bally im Büro, hatte eine Menge neue Freunde und wurde glücklich von Cliff’s Familie und allen Nachbarn empfangen. Wir mieteten ein Auto, wenn meine jungen Schweizer Cousins uns über das Wochenende besuchten, während sie in England als Au Pair arbeiteten, um ihnen die Broads und die Küste zu zeigen. So kamen auch junge Leute zu uns, welche von der Schweizer Bally nach Norwich geschickt wurden und genossen eine währschafte Rösti oder Schnitzel mit Nudeln. Dies war eine willkommene Abwechslung zu den täglichen „Chips“, die sie von ihren Gastgeberinnen aufgetischt bekamen! Die Höhepunkte waren jedoch die seltenen Besuche meiner lieben Schwestern. Leider konnte mein Vater nie davon überzeugt werden, uns zu besuchen und zu sehen wie wir hier lebten.
Und dann…Ich war bereits 38 Jahre alt, unser grösstes Glück, Christopher William kam am 1. April 1960 zur Welt, ein gesunder kleiner Junge, ein lebendiger Sonnenschein. In der Schweiz wurde gesagt, es benötigte einen Engländer um meinem Vater einen Enkel zu schenken, da es bis dahin nur Mädchen in der Familie gab! Mit grossem Stolz, sahen wir unseren geliebten Sohn zu einem gut ausgebildeten, jungen Mann aufwachsen. Das Funkeln in seinen kleinen Augen am ersten Christbaum liess mich alle möglichen Gedanken von Heimweh über die festliche Jahreszeit für immer vergessen. Die vielen, vielen glücklichen Erinnerungen an diese Zeiten werden immer mit uns bleiben. Vater und Sohn liebten es, zusammen ihre Fussballmannschaft an der Carrow Road anzufeuern, wahre und zuverlässige Fans, getreu dem Titel meiner Lebensgeschichte.
Unsere jährlichen Ausflüge mit dem Auto durch Frankreich in die Schweiz mussten immer an den heissesten Tagen im August, während den jährlichen Fabrikferien, stattfinden. Dort wurden wir immer mit offenen Armen empfangen. Christopher war immer die grösste Attraktion unter seinen Cousinen und natürlich auch, weil er der einzige Enkel des Vaters war. Für viele Jahre genoss ich es, zu Hause zu sein, zu meiner Familie und meinen Garten zu schauen, Cliff’s Verwandte zu besuchen, Freunde und Schweizer Landsleute zu treffen. Dann, als Christopher 16 Jahre alt wurde, schon in der Grammatikschule, ging ich zurück zur Bally für einen Teilzeitjob im Büro, bis zu meiner Pensionierung 1982.
Unser grosser Wunsch wurde erfüllt, als Cliff mit 64 pensioniert wurde, ein Jahr früher, und so viele glückliche zufriedenstellende Jahre der Zusammengehörigkeit folgten. Wir nannten es „Mannschaftsarbeit“, Bowls spielen, jeden Tag neu geniessen.
Unterdessen hatte Christopher, der bei einer Versicherung arbeitet, seine Liebe fürs Leben gefunden und heiratete Jenny 1986. Der glückliche Cliff und ich, fuhren zu ihnen, um im neuen Haus, im Stall, in der Koppel und im Garten zu helfen. Cliff konnte seine Hände für fast alles brauchen und er liebte es mit dem Rasenmäher zu fahren!
Was für ein Schock, als Cliff am 29. November 1988 einen Anfall hatte, zum Glück ohne Beschädigung des Gehirns und Einschränkungen beim Sprechen, lediglich Lähmungen auf einer Seite. Mit seiner wunderbaren Willenskraft und mit Hilfe der Therapie und vorallem der besonderen Fürsorge in Mundesley, bekam er seine Beweglichkeit Schritt für Schritt wieder zurück. Er genoss seinen täglichen Spaziergang um den Häuserblock, plauderte mit allen Nachbarn und sein Vertrauen kam zurück, sodass er wieder Auto fahren und Bowls spielen konnte. Im Oktober 1993 erlaubte ihm der Doktor, in die Schweiz zu fliegen, was er wirklich genoss. Es war sein letzter Besuch in seinem geliebten, respektieren zweiten Heimatland.
Sein Herz wurde schwächer und er wollte Weihnachten ruhig und friedlich zu Hause verbringen und am Abend dankte er mir für die ganz spezielle, bescheidene Feier, nur wir zwei. Über vier Jahre beschwerte er sich kaum über seine Krankheit, aber ich bin überzeugt, dass er in seinem Herzen genau wusste, dass seine Zeit auf dieser Erde bald vorbei sein wird. Nach ein paar Tagen im Spital, ging er am Abend des 22. Januars 1994 plötzlich von uns. Es war für uns ein grosses Leid, einen solch guten hingebungsvollen Ehemann, Papi und Schwiegervater zu verlieren, einen sehr speziellen Mann, der uns die Welt bedeutete. Mag er in Frieden bleiben.
Leider konnte er den ganz speziell glücklichen Anlass zwei Jahre später nicht geniessen, als ich die stolzeste Grossmutter auf der Welt wurde. Daniella, meine bewundernswerte kleine Prinzessin wurde am 8. November 1995 geboren und ihr entzückender kleiner Bruder, Matthew folgte am 25. April 1998. Cliff währe ein liebevoller „Papa“ gewesen. Ich danke euch, Chris und Jenny, für diese wundervollen Grosskinder, welche mir viel Freude und Fröhlichkeit gegeben haben und mich jung halten, ich konnte an Daniella’s 5. Geburtstagsfest sogar einen kleinen Tanz mit Matthew drehen!
Das Leben hat sich geändert , es wird nie mehr dasselbe sein. Zeit heilt nicht, sie mildert nur. Ich mag es zu wissen, dass ich mein Bestes tue, alleine zu leben und die Dinge Tag für Tag zu nehmen. Der Höhepunkt ist jeweils der Besuch bei Chris und Jenny mit ihren zwei entzückenden, liebevollen Kindern. Um Maurice Chevalier zu zitieren: „Ich danke dem Himmel für kleine Mädchen und Knaben“!
Zurückblickend auf mein langes Leben, danke ich Gott für all den Segen über die Jahre, die gute Gesundheit, eine sehr glückliche Kindheit mit meinen liebevollen Eltern und Schwestern, die gute Ausbildung, ein interessantes Arbeitsleben, den sehr hingebungsvollen Ehemann mit seinem Verständnis und seiner zarten Liebe und den wundervollen Sohn mit seiner liebevollen , fürsorglichen Familie. Danke auch an all meine Lieben in der Schweiz, die regelmässigen Kontakt gehalten haben. Meine alten Wurzeln werde ich nie vergessen. Meine Anerkennung geht auch an all meine Freunde und Nachbarn dafür, dass sie so gut und freundlich zu mir waren, mich behandelten als eine von ihnen, segne sie alle dafür, dass sie mich als eine von ihnen behandelten. Immerhin habe ich viel länger in Norwich als in meinem alten Heimatland gewohnt.
Mit all diesen Gedanken, Erinnerungen und Würdigungen bleibe ich immer,
euer Hanni